Bewegung im Raum
In der „Badischen Zeitung“ vom 18.03.2020
Dietrich Roeschmann:
‹Die Doppelausstellung „yellow“ ist ein überraschend stimmiger Paarlauf zwei sehr unterschiedlicher Positionen geworden.›
‹In dem leeren, weißen Ladenregal, das an den Wänden im Eingangsraum der Freiburger Galerie Claeys bis unter die Decke reicht, stehen derzeit wie von leichter Hand verteilt rund ein Dutzend Papierobjekte, 10 auf 15 Zentimeter, blockweise zusammengeklebt aus kleinen Stapeln von Fotos. Die Aufnahmen stammen aus den Kisten in Eva Rosenstiels Atelier, in denen die Freiburger Malerin alles sammelt, was an Fotos so anfällt beim Flanieren durch die Städte und Landschaften, in denen sie gerade unterwegs ist, für eine noch unbestimmte Verwendung.
In diesem Fall sind es Ansichten der Stände arabischer Textilhändler auf dem Pariser Marché d’Aligre im 12. Arrondissement, nahe des Gare de Lyon. Diese Tische, über und über mit Stoffen beladen, die sich zu atemberaubenden Knäueln aus unterschiedlichen Materialien und Mustern verschlingen, hatten Rosenstiel vor drei Jahren zu einer Serie von Malereien inspiriert. Auf Aluplatten gedruckt und mit einer silbrig schimmernden Lösung behandelt, dienten ihr diese Fotografien als Grund für die geradezu altmeisterlich ausgeführte malerische Übersetzung der textilen Pracht in Stillleben aus üppig gemusterten Stoffen und Tüchern.
Daran knüpft Rosenstiel nun auch mit ihren aktuellen Arbeiten an, die sie bei Ulrike Claeys im Dialog mit Papier- und Glasarbeiten der Künstlerin Schirin Kretschmann zeigt. Die Doppelausstellung „yellow“ ist ein überraschend stimmiger Paarlauf zwei sehr unterschiedlicher Positionen geworden. Verwendet Rosenstiel in ihrer Serie "Banane" die immer gleiche Fotografie einer marktüblichen Bananenkiste, um die Ölfarbe darin zu leuchtenden Bahnen wie aus Brokat oder Seide zu schichten, flankiert von kleinformatigen Fotografien der gleichen Kiste, mit Blattgold gefüllt, erstrahlen Kretschmanns Arbeiten in der Galerie in geradezu minimalistischer Eleganz.
1980 in Karlsruhe geboren, studierte Kretschmann Malerei an der Freiburger Außenstelle der Kunstakademie Karlsruhe und lebt mittlerweile in Berlin. In Freiburg realisierte sie zuletzt mit der 47 Meter langen Glasmalereiinstallation "LIMON" im Foyer des Neuen Rathauses im Stühlinger das wohl größte und ambitionierteste Kunst-am-Bau-Projekt der vergangenen zwei Jahrzehnte. Wie flüssiges Licht wogt die zitronengelbe Farbe hier in großzügigen Wellen über die gläserne Wände und wirft dezente Schatten auf den verputzten Beton dahinter.
Als Malerin interessiert sich Kretschmann seit langem für die Übergangszonen zwischen Bild, Objekt, ortsspezifischer Situation und künstlerischem Prozess. In der Galerie Claeys zeigt sie nun erstmals handliche Glasarbeiten, die parallel zu "LIMON" im selben keramischen Schmelzfarbverfahren entstanden. Deren abstrakte Bildelemente erweisen sich als aus der immobilen Originalarbeit heraus gezoomte Lieblingszonen der Künstlerin. Noch in der Fragmentierung lösen die Unikate dieser Edition eine sanfte Bewegung im Raum aus, die Eva Rosenstiel wiederum aufnimmt mit einer wunderbar leichten, von fliegenden Tüchern durchwehten Marktszene im Breitwandformat …›