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DIE WELT | Von Schlitzohren und Schwarzspechten

In der Zeitung „Die Welt“.

 

Helga Martens wenig bekanntes Werk stellt die Freiburger Galerie Claeys vor:
‹Stillleben mit Früchten und Spiegel
 (1963)

 

Von Schlitzohren und Schwarzspechten

Die Kunstmesse Art Karlsruhe bedient den bewährten Geschmack der Sammlerschaft aus dem Südwesten. Nach Entdeckungen muss man suchen. Aber es gibt sie Doch, es gibt die Gäste aus Berlin, aus Düsseldorf, aus Wien, aus Barcelona, und die 215 Galerien stammen auch nach offizieller Zählung aus 14 Ländern. Aber eigentlich ist die Art Karlsruhe bis heute eine südwestdeutsche Privatsache geblieben. Das war immer sehr zu ihrem Gewinn.

Erst recht im 15. Jahr. Beim Rundgang durch die bestgepflegten vier Messehallen kommt· es einem vor, als sei der baden-württembergische Kunstbetrieb angetreten, dem landestypischen Erfolgsverbund aus ökonomischer Solidität und ökologischem Idiom wieder einmal einen überaus gefälligen Spiegel vorzuhalten. Und wenn, kaum dass die Einlassschleusen entriegelt worden sind, am Stand von Gernot Rudolf aus Kampen/Sylt ein Pechstein aus dem Jahr 1917 bereits einen grünen Punkt trägt, dann weiß man doch, dass das Bundesland mit der erwiesenermaßen höchsten Sammlerdichte auch in diesem Jahr seine Kunschtmesse gedeihlich unterstützen wird.

Die kapitalen Kunsthandelsbewegungen erwartet hier niemand. Dass Henze & Ketterer für den späten Kirchner (,,Sängerin am Piano“, 1930) 3,7 Millionen wollen, ist schon das Äußerste. Aber toll ist das Bild nicht gerade, sieht ein bisschen aus wie vom Speicher geholt und wird wohl ein Zählkandidat bleiben. Anders als in der bewährten Preisklasse zwischen 10.000 und 50.000 Euro, in der die ebenso treue wie entschlossene Klientel wie­der erlesen bedient wird. Da taucht so manches auf, was die vergessensselige Kunstgeschichte fast schon ausgemustert hat. Eine kleine „Doppelfiguration“ von Horst Antes aus dem Jahr 1962 bei Schwarzer aus Düsseldorf (32.000 Euro). Oder eine still-grandiose Abstraktion aus Fred Thielers letzten Jahren bei Rudolf aus Heidelberg und Sylt (48.000). Unversehens steht man wieder einmal vor Arbeiten des „Stadtzeichen”-Schöpfers Ot­to Herbert Hajek, für die sich heute sein Sohn Urban mit seiner Stuttgarter Galerie einsetzt. Man entdeckt am Stand der Galerie Claeys aus Freiburg die viel zu wenig bekannte Malerin Helga Marten, deren kühne Bildräume eine sehr eigenständige Position in der figürlichen Malerei der frühen Sechzigerjahre markieren.

Derweil erneuert „Die Galerie“ aus Frankfurt, die sich so und nicht anders nennt, die Freundschaft mit den aus ruhigen Pinselschwüngen gewobenen Bildern des französischen Malers Alain Clement (15.000). Von Herbert Zangs, der mal so etwas wie ein deutscher Tapies gewesen ist, wäre bei Bagnato aus Konstanz ein ,,Blumenbild“, auf dem alles Blumige unter der dicken Weiß-Couverture versteckt ist, für 35.000 Euro zu haben. Knut Osper aus Köln hat allerhand Mythologica aus dem Atelier des Markus Lüpertz dabei. Und wenn der Meister mit dem adrett gedrechselten Gehstock davorsteht, dann wundert man sich doch ein wenig, wie zivil die Preise für Klein- und Größerformatiges (10.000 bis 80.000) geblieben sind. Schließlich ist der Maler ja mal mit Baselitz und Kiefer in einem Atemzug genannt worden. Was man vom unverwüstlichen „Zero“-Anhänger Ber­nard Aubertin nicht sagen kann. Auf ihn setzt Maulberger aus Münchcn mit ganzen Kräften und trägt dabei dem Umstand Rechnung, dass es dem Künstler seit Jal1rzehntcn die Farbe Knallrot angetan hat, was an schwarz getönten Wänden nicht ohne Reiz sein mag, aber auch gewaltig in die Augen geht. Und wenn ein knallrotes „Nagelbild“ aus dem Jahr 1968 stattliche 26.800 Euro kosten soll, dann kommt einem die kuriose Uecker-Nach­folge doch etwas schlitzohrig vor.

Nun wäre diese ganz und gar charmante Veranstaltung nicht wirklich vorstellbar ohne einen neuen Artikel aus der leider hochproduktiven Bildhauer-Werkstatt Ottmar Hörl. In diesem Jahr ist es der Schwarzspecht „Zorro“ (,,etwa 30 cm“), der „nun erstmals der breiten Öffentlichkeit präsentiert“ wird. Und tatsächlich steht die breite Öffentlichkeit präsentationswillig vor dem Kunststofftier, und die Kameras der regionalen Fernsehsender schauen ihr über die Schultern. Das war schon früher so bei „Pinguin“, ,,Froschkönig“ und Zwerg mit Stinkefinger. Und vermutlich wird es keine zweite Kunstmesse geben, auf der Zorro der Schwarzspecht so verlässlich die Hürden der Auswahljury nimmt.

Irgendwie hat es ja auch Michael Schultz, der Berliner Galerist, geschafft, seinen Kunstaktivisten Bernd Reiter in die Diaspora mitnehmen zu dürfen. Wo er nun einen der ansonsten skulptural genutzten Freiplätze zwischen den Ständen besetzt hält. Es ist großes Gerätetheater, an dem der Katastrophenmonteur zum Berichtszeitpunkt noch Hand angelegt hat. Ein Cadillac, ein Oldsmobile, ein MiG-Jet auf dem zerdellten Autodach, Scherben, Bildschirme, eine Klappleiter zur verbesserten Sicht auf die schönschlimmen Dinge (,,Betreten auf eigene Gefahr“). Natürlich könnte man weiterspazieren - auch ohne verschärftes Nachdenken über das Missverhältnis zwischen Riesenaufwand und Nano-Idee. Und natürlich muss nicht jeder in Reiters Alter von Wolf Vostell oder HA Schult gehört haben. Aber die Karlsruhe-Erzählung wä­re eben doch nicht vollständig, wenn man nicht hinzufügen würde, dass man vor dem Edelschrott angehalten und sich den Titel „Ironie des Schicksals“ gemerkt hat.

Nimmt man die Bilder des Malers Alex Feuerstein mit auf die Merkliste, der bei Burster aus Berlin und Karlsruhe auf seltsam faszinierende Weise seine Figurationen im Ornament verschwinden lässt, oder die Arbeiten des jungen David Stegmann, die man im „Haus der Modernen Kunst” entdeckt hat, erstaunliche Hin­und-Rück-Verwandlungcn menschenleerer Landschaften und raumtiefer Abstraktionen, dann kommt man doch mit unterhaltsam gemischten Nachrichten von dieser Kunst-Landesschau. Und die beste ist, dass die Art Karlsruhe auch nach so vielen Jahren noch Spaß macht.

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